Edward de Vere, 17. Earl of Oxford
Edward de Vere wurde am 12.04.1550 als Sohn des 16. Grafen von Oxford in Essex geboren. 1562 starb sein Vater John de Vere. Edward de Vere wurde damit im Alter von 12 Jahren zum 17. Graf von Oxford. Zugleich kam er als königliches Mündel unter die Vormundschaft von Sir William Cecil, dem ersten Minister von Elisabeth I. und späterem Lord Burghley. De Vere und Cecil verband und trennte zeitlebens ein angespanntes Verhältnis. 1571 heiratete de Vere die fünfzehnjährige Tochter seines Vormunds, Anne Cecil. 1575 bereiste er für längere Zeit das europäische Festland, unter anderem die Städte Paris, Straßburg, Lyon, Padua, Venedig, Florenz, Sienna, und Palermo. Durch einen verschwenderischen Lebensstil sowie durch Fehlinvestitionen in Expeditionen nach Nordamerika und zur Entdeckung einer Nordwestpassage büßte de Vere einen Großteil seines Vermögens ein. 1580 übernahm er die Schauspielertruppe des Grafen von Warwick. 1583 fiel er bei Elisabeth I. für einige Zeit in Ungnade, damit erlosch auch sein Einfluß am englischen Hof. Im Jahr 1584 schloß Oxford einen Pachtvertag für das Blackfriars Theatre ab, welchen er auf den Dichter John Lyly übertrug, der als Sekretär in seinen Diensten stand. 1586 war de Vere Mitglied des Tribunals, welches über Maria Stuart, Königin von Schottland zu Gericht saß und sie wegen Hochverrats verurteilte, was 1587 zu deren Enthauptung führte. 1588 starb Anne Cecil, die de Vere fünf Kinder gebar, von denen der einzige Sohn und mögliche Titelerbe im Alter von nur wenigen Monaten starb. Von 1590 an liegt de Veres Biografie weitgehend im Dunkeln, gleichzeitig schien sich sein Gesundheitszustand zunehmend zu verschlechtern. Um das Jahr 1591 heiratete er Elizabeth Trentham, die 1593 den gemeinsamen Sohn Henry gebar. Dieser starb 1625, ohne Nachkommenschaft zu hinterlassen.
1601 war Oxford als ranghöchster Vertreter des englischen Adels an dem Hochverratsprozeß gegen Henry Wriothesley, dritter Graf von Southampton, und Robert Devereux, zweiter Graf von Essex, beteiligt. Beide wurden verurteilt, letzterer als Drahtzieher einer Verschwörung gegen die Königin zum Tode. 1603 starb Elisabeth I., welcher Oxford in seiner Eigenschaft als Lord Great Chamberlain, aber auch als Vertrauter zeitweise sehr nahe stand. 1603 hatte Oxford seinen letzten Auftritt als Lord Great Chamberlain, indem er, anläßlich der Krönungszeremonie Jakob I., das Staatsschwert trug. Jakob I. berief Oxford unmittelbar in den Staatsrat und stattete ihn mit einigen Privelegien aus, die schon seinem Vater, ungeachtet eines angestammten Erbrechts, vorenthalten wurden. Diese Phase wiedergefundener Gunstbezeugung währte nicht lange. Am 24.06.1604 starb Edward de Vere, vermutlich an der Pest. Sein Grab ist unbekannt. Der Grafentitel wurde auf einen anderen Zweig der Familie übertragen, bis er 1703 endgültig erlosch.
Edward de Vere stellte eine der exzentrischsten Gestalten des englischen Hochadels im 16. Jahrhundert dar. Sein Onkel Henry Howard, Graf von Surrey und Hofdichter unter Heinrich VIII, der Howard zwei Jahre vor de Veres Geburt enthaupten ließ, schuf die Sonettform sowie den englischen Blankvers. De Vere selbst galt seinen Zeitgenossen als herausragender Dichter. Die englischen und lateinischen Verse, welche er verfasste, insbesondere jedoch seine Dramen, wurden gerühmt. Von seinen Dramen ist keines erhalten, von seinen Gedichten nur wenige, die de Vere mit einiger Wahrscheinlichkeit als junger Mann schuf, daher in der ersten Hälfte der siebziger Jahre des 16. Jahrhunderts.
Seit mehr als 150 Jahren ist eine Diskussion um die Verfasserschaft der Versepen, Sonette und Dramen, die unter dem Namen William Shakespeare erschienen, im Gange. Neben vielen anderen mehr oder weniger ernsthaft diskutierten Namen, wurde, abgesehen von der Person des Stratforder Shakspere selbst, um drei Kandidaten besonders heftig gestritten. Dies war zunächst vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein immer wieder Christopher Marlowe, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts dann Francis Bacon und ab 1920 Edward de Vere.
Die vorliegende Ausgabe versammelt einige der reichlich zwanzig unter dem Namen Oxford überlieferten Gedichte. Die hier abgedruckten Nachdichtungen folgen einem allgemeinen Interesse an der Verfasserschaftsfrage und sind ein Echo ihrer Diskussion.
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