etwas mit einem auftrag


am 3. des monats erreichte mich ein angebot. etwas mit einem auftrag. darüberhinaus markierte dieses datum kein ereignis. ich erinnere mich genau. einen tag nach meiner ankunft, am tage meiner erneuten abreise, überwog das erleben eines vierundzwanzig stunden währenden dazwischen. ich nahm eine auszeit und somit meine baldige abwesenheit voraus, das begonnene nicht fortführend, angedachtes nicht erst beginnend. ich ließ mich durch die umstände verleugnen. insofern ging ein angebot ein, erreichte mich jedoch nicht. dieser zustand hatte keine gegenwart. das war neu für mich. das verleiht einem zeitraum etwas schleusenhaftes. von vier wänden umstellt, von ankunft und baldigem aufbruch in klammern gesetzt, ist es, als würdest du der eigenen rückkehr harren. mit dir warten die dinge, alles beruht dann auf sich.
dies war meine situation. indem nichts zu tun blieb war alles getan. es kam der moment des fälligen aufbruchs, mit ihm kam die nachricht seines aufschubs. bereits in der tür, zum gehen gewandt, vielleicht um ein weiteres schloß zu schließen, überflog ich von neuem, was ich zuvor als angebot las. ich verstand nicht gleich, deshalb las ich genauer. dort stand nicht viel, doch das wenige war verbrieft. im aufbruch begriffen erreichte mich die nachricht, daß ich bleiben müsse. (gelder wurden gestrichen.) es hieß, ein zweiter termin könne sich ergeben, im laufe der nächsten tage, vielleicht sogar stunden. das sei die frist zur ermittlung neuer möglichkeiten, ich solle mich für den fall einer klärung in bereitschaft halten. zuletzt noch ein satz, dem ungesagten ins wort zu fallen; Sie hören von uns!. dennoch erwog ich, beschwerde zu führen, auch, ganz zu verzichten, tat aber nichts dergleichen. der vertrag ist die sache, die man einhält, die nachricht vom aufschub wurde mir auftrag zu warten.
am 4. des laufenden monats stellte ich alle aktivitäten ein. die arbeit ruhte, das flüssige jeder handlung gerann. in jenem zählebigen jetzt zwischen kommen und gehen verklebten mir die sinne. auf abruf bereit, fühlte ich mich geradezu entkernt. immer lief ich gefahr, mich unterbrechen zu müssen, darin lag plötzlich eine große unsicherheit. was ich auch gegen den leerstand im innern unternahm; papiere ordnen, programme wählen, ein buch am nächsten ausrichten - ich handelte in der zweiten person, als gäbe es einen stillen teilhaber an meinem tun. es wirkt schwächend, das eigene im auftrag eines anderen zu verrichten. woraus so ein auftrag schöpft, darin erschöpft sich jedes beginnen. ich wurde müde, das weckte mein interesse am schlaf. doch wenn ich schlief, schlief ich gehetzt. das kommende, so sehr gewollte, ließ sich nicht vorverlegen, stunden des stillstands waren so nicht zu überbrücken. du bist in der zeit nicht weniger beheimatet als im raum. ich richtete mich also ein, ich verbrachte eine zeit des wartens. die zahl des wartens betrug 10 000. das war eine angenommene zahl. ganz gleich, ob ihr wert sich auf eine feste größe belief oder in etwa auf über die zeit verteiltes, vielleicht auch das maß für etwas abgab, das an nichts mehr zu messen war, es schien als beziffere sie sich unterm strich auf das vielfache ihrer selbst. auf ein vieles zwischen auszeit und bewegter zeit, auf eine als differenz empfundene summe. die summe eines in person gehauenen wartens.

ich erinnere mich genau. insbesondere der unbewegten masse eines transportarbeiters. das ausmaß seines wartens lief auf den tod als lebensform hinaus. in einer öligen betriebskantine saß er seine tage ab. das neue wurde alt mit ihm. er wurde schwer, um ihn herum wog bald nichts schwerer als er. sein gewicht drohte ihn zu erdrücken. man hört das von gestrandeten walen, und hoffend, sie würde ihn mit sich tragen, schien er wie die wale auf die flut zu warten. doch gezeiten standen keine ins haus. er blieb, wo er war, er war gelitten, da etwas an ihm unvergleichlich war. da er in der sänfte seines leibes saß, ein menschenmöbel umstellt von nachgedunkelten tischen. in seinem durch eins geteilten leid machte er jeden zum empfänger seiner litanei, als hörende schloß er selbst das nicht belebte mit ein. wollte er überzeugen, war es, als spräche er zu seinem tisch, dann zog er zählend striche in das verschüttete vor sich. es blieb unklar, wen oder was sie in kolonnen vertraten, gemessen an seinem umfang und der ihm eigenen schwere fielen striche als argumente jedenfalls nicht ins gewicht. und seien es viele, man glaubte ihm nicht. ein fabeltier, ganz aus dem zusammenhang, wurde er wie ein haustier ohne bestimmung gelitten; im speisesaal, im ganzheitlich zu nennenden mißverständnis der eigenen person, in verkennung ihres auftrags als transportarbeiter. denn er bewegte ja nichts, hoffte jedoch, er werde bewegt. durch die flut, durch hilfe von außen. mit den gezeiten aber blieb auch der einsatz zweiter und dritter aus. er wartete, machte striche auf seinem tisch, scheinbar jeden zu seiner zeit und über die zeit mochten es an die zehntausend sein.
ich lag auf reede, ich dachte nicht an den tod. nicht an sein abbild eines körperlosen skeletts, wie es zum verhältnis in eine landschaft gestellt, statt des körpers, den raum zusammenhält. ich dachte an einen gelebten tod, an dessen verkörperung durch einen arbeiter. daran, daß er in seinem ankernden leib den raum verstellte, und dennoch dort saß als müsse er im ganzen weggetreten sein. ich bedachte die eigene, bloße anwesenheit. du fühlst dann in die räume hinein, den schwachen puls der wohnung, die ich nun erlebte wie während meines abwesendseins. kein ereignis trat ein. da war nichts, selbst der tod schlief außerhalb.

das ist vergangenheit. ich erinnere mich, am 7. machte ich licht. vier lichter brannten, in jeder ecke eines. alles dingliche trat einen schritt vor, bewegung kam auf, ich führte sie auf das licht zurück. das zimmer nahm mich in empfang, mir war, als käme ich an. und sei es von einer reise. oder aus einem schlafzustand. denn etwas klang nach, wie von weit her. etwas mit einem auftrag.

dies setzte ein gedankenpendel in gang, welches das naheliegende umständlich miteinander verband. richtig ist, ich hatte zu warten. später machte ich licht. das war an einem sonntag vor zehn tagen...


Besucher: 23489 umsetzung © karsten richter