Edward de Vere

REASON AND AFFECTION / VERNUNFT UND NEIGUNG


If care or skill could conquer vain desire,
Or Reason′s reins my strong affection stay:
There should my sighs to quiet breast retire,
And shun such signs as secret thoughts betray;
Uncomely Love which now lurks in my breast
Should cease, my grief through Wisdom′s power oppress′d.
Siegten Sorgfalt oder Geschick über Selbstsucht,
Und Vernunft erstickte meine starke Neigung:
Nähmen meine Seufzer in stiller Brust Zuflucht,
Scheuten Zeichen geheimer Gedanken Zeigung;
Schamlos Liebe mir in meiner Brust auflauert,
Muß enden, weil Weisheit nicht um Liebe trauert.
   
But who can leave to look on Venus′ face,
Or yieldeth no to Juno′s high estate?
What wit so wise as gives not Pallas place?
These virtues rare each Gods did yield a mate;
Save her alone, who yet on earth doth reign,
Whose beauty′s string no God can well distraint.
Doch wen ließe Venus′ Antlitz nicht erbleichen,
Und wer erläge nicht der Juno hohem Ansehn?
Wes Geistes Weisheit würd′ nicht vor Pallas weichen?
So Tugendhafte durften neben Göttern stehn,
Nur sie allein, welche nun auf Erden walten;
Der Schönen Schar kann kein Gott in Bande halten.
   
What worldly wight can hope for heavenly hire,
When only sighs must make his secret moan?
A silent suit doth seld to grace aspire,
My hapless hap doth roll the restless stone.
Yet Phoebe fair disdained the heavens above,
To joy on earth her poor Endymion′s love.
Welch′ irdisch Wesen nur hofft auf himmlischen Lohn,
Wenn Seufzer seines Geheimnis′ einzige Saat?
Stilles Bitten verlangt kaum ausgewognen Ton,
Mein glücklos Glück rollt auf rastlosem Rad.
Doch Phoebe hat frei des Himmels Hoheit gescheut
Und sich auf Erden Endymions Liebe erfreut.
   
Rare is reward where non can justly crave,
For chance is choice where Reason makes no claim;
Yet luck sometimes despairing souls doth save,
A happy star made Giges joy attain.
A slavish smith, of rude and rascal race,
Found means in time to gain a Godess′ grace.
Selten ist Lohn, wo Recht und Flehen nicht zählen,
Denn Schicksal ist ein Los, wo Vernunft nicht verfängt;
Doch rettet Glück manchmal verzweifelte Seelen,
So hat ein Glücksstern Giges mit Freude beschenkt.
Als ein sklavischer Schmied schroffen Schurkenschlages,
Fand er seiner Göttin Segen eines Tages.
   
Then loftly Love thy sacred sails advance,
My sighing seas shall flow with streams of tears;
Amidst disdains drive forth thy doleful chance,
A valiant mind no deadly danger fears;
Who loves aloft and sets his heart on high
Deserves no pain, though he do pine and die.
Hoher Liebe heilige Segel fliehn dem Blick,
Meine See von Seufzern verströmt sich in Tränen;
Geschmäht fahre du fort in schwerem Geschick,
Einen tapfren Geist kann Todesangst nicht lähmen;
Wer erhaben liebt und sein Herz Höhrem weiht,
Verdient nicht Schmerz, muß er auch vergehen vor Leid.
Henryk Gericke


Besucher: umsetzung © karsten richter